Wer munter ist, spielt – wer müde ist, schläft!

Alle Menschen haben unterschiedliche Schlaf- und Ruhebedürfnisse, die nicht nur personen- , sondern auch tagesformabhängig sind. Die einen sind Nachteulen, die anderen Amseln, manche brauchen vollkommende Dunkelheit, um schlafen zu können, andere schlafen ungerne allein… Dies alles trifft auch für Kinder in Krippe und Kita zu. Manche möchten dort schlafen, aber nicht im Bett, andere sich nur ausruhen und wieder andere am liebsten gar nicht zur Ruhe kommen. Dazu kommen noch Wünsche und Bedürfnisse von Eltern und Fachkräften. In Krippe und Kita prallen somit viele verschiedene Bedürfnisse aufeinander und die Erfüllung dieser stellt die pädagogischen Fachkräfte häufig vor große Herausforderungen. Einige Einrichtungen reagieren darauf mit Maßnahmen wie Schlaf- oder Ruhezwang für alle Kinder von 1 – 6, andere suchen hilflos nach einem Konzept, um allen gerecht zu werden und wieder andere kommen auf die kreativsten Ideen, um alle Bedürfnisse zu erfüllen. Doch warum ist es so wichtig, dass Kinder sich in Kindertageseinrichtungen ausruhen und schlafen können? Warum schadet aber Schlafzwang?

Laut einer Studie der AOK benötigen ein- bis zweijährige Kinder 10 – 16 Stunden Schlaf pro 24 Stunden, verteilt auf die Nacht und 1 – 2 Tagschlafepisoden. Ein zwei- bis dreijähriges Kind braucht 9 – 14,5 Stunden Schlaf mit 0 – 1 Tagschlafepisoden, Drei- bis Fünfjährige schlafen noch 9 – 14 Stunden in der Nacht und  0 – 1 Tagschlafepisoden. In einer Kitagruppe mit 3 – 6jährigen befinden sich also Kinder, die zwischen 14,5 und 9 Stunden Schlaf in 24 Stunden brauchen, in einer altersübergreifenden Gruppe können es sogar zwischen 16 und 9 Stunden sein. Man sieht also deutlich, dass hier die Bedürfnisse schon sehr unterschiedlich sein können. Dazu kommt, dass die ersten Kinder morgens u.U. bereits zwischen 6:30 und 7:00 in der Kita eintreffen, die Letzten aber erst gegen 9:00. Aufstehzeit und Tagesbeginn variieren also ebenfalls von Kind zu Kind, und Kinder, die morgens gegen ihr Müdigkeitsgefühl ankämpfen und funktionieren müssen, damit alle pünktlich aus dem Haus kommen, erleben schon einen anstrengenden Tagesbeginn. Dementsprechend muss es sich, um den Tag zu schaffen, ausruhen und ggfs. schlafen können, wenn es müde ist – unabhängig von der Tageszeit!

Ein übermüdetes Kind gerät in psychisches und physisches Ungleichgeweicht und auch seine Stresswerte steigen. Ruhe und Erholung helfen Kindern, Reize zu verarbeiten, zu neuen Kräften zu kommen, zu entspannen und sich zu regenerieren. Ruhe und Schlaf unterstützen darüber hinaus den Lern- und Bildungsprozesses, da nach einer Ruhephase eine erhöhte Lern- und Konzentrationsbereitschaft festzustellen ist. Und obwohl immer weniger Kinder unmittelbar vor oder nach dem Mittagessen nach Hause gehen, liegt der Fokus des „Bildungsangebots“ in vielen Kitas immer noch auf dem Vormittag. Ein Recht auf Bildung und Erziehung besteht für ein Kita- Kind jedoch ganztägig!

Werden Kinder, die nicht müde sind, jedoch gezwungen, über einen längeren Zeitraum ruhig auf einer Matratze o.Ä. liegen zu bleiben oder zu schlafen, wirkt sich dies allerdings negativ aus. Pflichtschlaf oder Pflichtliegen sind dann eine hohe emotionale und körperliche Belastungsprobe, die statt zu Entspannung und Regeneration zu einer Erhöhung des Stresspegels führt. Die Kinder sehen die Situation ggfs. als ausweglos an und schlafen ein, was für Außenstehende oft ein Zeichen ist, dass die Kinder doch müde waren. Es handelt sich hierbei allerdings um Resignation und Ergeben, was aus traumapädagogischer Sicht höchst bedenklich ist und sich sowohl auf das Schlafverhalten als auch auf die Beziehung des Kindes zur Fachkraft negativ auswirken kann.

Doch wie kann es gelingen, allen Bedürfnissen trotz Fachkräftemangel, Platzproblemen und zu hohem Betreuungsschlüssel gerecht zu werden? Nun, DIE eine Lösung, die für alle Einrichtungen passt, gibt es nicht. Jede Einrichtung, vielleicht sogar jede Gruppe muss für sich schauen, was möglich ist. Gibt es eingezogene Ebenen, breite Regale oder Ecken, die etwas abgetrennt werden könnten? Prima, vielleicht lassen sich hier mit ein paar Polstern, Kissen und Vorhängen Rückzugsorte schaffen, an denen sich die Kinder vom Trubel zurückziehen und ausruhen können! Für Krippenkinder könnte man auch ein paar Schlafkörbchen im Gruppenraum aufstellen, so dass sie sich bei Bedarf hinlegen können, aber kein*e Erzieher*in mit in den Schlafraum muss. Für die Kinder, die nicht schlafen wollen, kann man die Mittagsruhe als Ruhephase, die die Kinder individuell gestalten können, nutzen. Hierfür braucht es Angebote, die Kinder zur Ruhe begleiten, sowie klare Absprachen, welche Regeln zu dieser Zeit gelten. So kann es gelingen, dass es ruhig in der Gruppe wird und die Kinder, die schlafen möchten, schlafen können, diejenigen, die es aber nicht möchten trotzdem sinnvoll und ohne Zwang beschäftigt sind.

Möglichkeiten gibt es sicherlich viele, doch natürlich erfordert es Zeit, sich damit zu beschäftigen und die Gruppen und Einrichtungen umzugestalten. Aber es lohnt sich, denn langfristig kann ein entspannteres Miteinander erreicht werden.

 

Fotonachweis: Bild von Ben Kerckx auf Pixabay

 

 

 

 

Über die Autorin:

Eva Peters ist Erziehungswissenschaftlerin und Soziologin. Im LWH ist sie Studienleiterin im Bereich Frühpädagogik. Mehr Informationen zu Frau Peters finden Sie hier.