Well-being als Schlüssel zu glücklichen Schüler*innen und Lehrkräften?

Im Rahmen eines Erasmus+ Projektes innerhalb von einer Woche den heiligen Gral des finnischen Erfolgsmodells Bildung zu finden, ist ein ambitioniertes Unterfangen. Durch den Besuch von verschiedenen Schulen und außerschulischen Bildungseinrichtungen sind die 25 Pädagog*innen den Erfolgsfaktoren dennoch ein Stück näher gekommen.

Das finnische Bildungssystem legt Wert auf das Lernen und nicht auf das Schreiben von Tests. Die Verantwortung für das Lernen liegt bei den Schüler*innen. Im Rahmen einer Gruppendiskussion mit finnischen Schüler*innen an einer gymnasialen Oberstufe wurde dies von den Schüler*innen als Erfolgsfaktor hervorgehoben: “Eine vertrauensvolle und kreative Umgebung motiviert zum Lernen!”. Und von der Schulleiterin wird Wohlbefinden als zentraler Aspekt von Schule beschrieben. Und dies gilt für das Lernen und Lehren gleichermaßen. Auf der Ebene der Schüler*innen bedeutet dies beispielsweise auszuprobieren, in welcher Lernumgebung sie welche Aufgaben gut ausführen können. Anregende Lernumgebungen mit vielfältigem Mobiliar sind Beispiele. Die Schüler*innen übernehmen darüber hinaus Verantwortung in der Gestaltung ihrer Lernpläne, indem beispielsweise in der gymnasialen Oberstufe die Inhalte modularisiert angeboten werden und sogar das Lerntempo individualisiert wird. Auch die Lehrerräume sind gesprächsanregend ausgestaltet und bieten sowohl individuelle Arbeitsplätze zur Vor- und Nachbereitung als auch Sitzecken für Teambesprechungen.

 

Wohlbefinden bezieht sich auch auf das Lernen außerhalb des Unterrichts. Der finnische Lehrplan wurde entrümpelt, sodass unterrichtliches Lernen in der Schule stattfindet und keine Hausaufgaben zu erledigen sind. Nachmittags haben die Kinder Zeit zum spielen und Kind-sein. Insgesamt zielt der finnische Unterricht auf ein ganzheitliches und phänomenbasiertes Lernen ab. Die Phänomene werden übergreifend bearbeitet und beziehen sich auf die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen. Durch den phänomenbasierten Unterricht werden die klassischen Unterrichtsfächer nicht abgeschafft. Ziel ist vielmehr, Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Fächern und Inhalten aufzuzeigen und von Schuljahr zu Schuljahr vertiefend zu betrachten. Hierdurch wird ein tieferes Lernverständnis erreicht und den zukünftigen Herausforderungen des Lernens durch den multidisziplinären Ansatz entsprochen.

 

Und wie ist die Rolle der Lehrkräfte in diesem neuen Bildungsverständnis? Diese agieren im Team und sind mehr als Lernberater denn als Wissensvermittler aktiv. Die hohe zielführende Individualisierung des Lernens kann nur durch hochwertige Lernberatung erreicht werden. Die Lehrkraft agiert in einem multiprofessionellen Team unter anderem mit Schulsozialarbeiter*innen, Psycholog*innen, Lernberater*innen und Schulkrankenschwestern. Hier wird deutlich, dass die hohen Investitionen in Bildung durch den finnischen Staat gut angelegt sind. Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt sind die öffentlichen Bildungsaufgaben in Finnland eine der höchsten innerhalb von Europa. Deutschland belegt hingegen nur einen mittleren Platz. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Finnland über ein hochwertiges und gleichzeitig kostenloses Bildungssystem verfügt. Dies führt dazu, dass Schüler*innen unabhängig von sozialer Herkunft oder den Vermögensverhältnissen der Eltern gleiche Bildungschancen erhalten. Und die Schüler*innen wissen dies zu schätzen. Ob bei den kostenlosen Mahlzeiten, im Lehrerzimmer oder im Gebäude: Wir waren immer wieder erstaunt über die ruhige und entspannte Atmosphäre in den Schulen und konnten den Aspekt des Wohlbefindens während unseres Aufenthaltes erleben, denn auch wir fühlten uns in den finnischen Bildungseinrichtungen wohl.