Wien ist anders: Ideen für Ganztagsbetreuung und gelingende Übergänge in Kindergarten und Schule

„Wien ist anders“ lautet der Slogan der Stadt Wien. Genau dieses Andere war Anlass, dass Erzieher*innen, Schulsozialarbeiter*innen und Lehrkräfte aus Niedersachsen und Bayern Bildungseinrichtungen in Wien besucht haben. Schwerpunkt der Erasmus+ Reise waren die Themen Transition, also ein entwicklungsfördernder Übergang zwischen dem Kindergarten und der Schule, und gelungene Ganztagsbetreuung.

Was haben sie bei diesem Blick über den Tellerrand in Wien entdecken können? Föderalismus ist in Österreich ebenso wie in Deutschland ein großes Thema und der Fachkräftemangel im Bildungsbereich hat auch hier ein erschreckend großes Ausmaß angenommen. Gleichzeitig hat beeindruckt, dass alle Erzieher*innen ein Abitur vorweisen müssen und viele von ihnen sogar verbeamtet sind. Der Personalschlüssel ist allerdings ein anderer: In einer Gruppe sind bis zu 25 Kinder, die von einer Kindergartenpädagogin betreut werden. Unterstützt wird diese von einer Assistent*in, die primär für die Zubereitung der Mahlzeiten und Reinigungsarbeiten zuständig ist.

Auch überraschend war, dass nur in Kindergärten in kommunaler Trägerschaft Kinder mit Beeinträchtigungen aufgenommen werden. Der Besuch eines kommunalen Kindergartens ist in Wien grundsätzlich kostenfrei. Dies ist sicherlich für viele Familien eine wichtige Entlastung und bildet in Kombination mit dem verpflichtenden letzten Kindergartenjahr einen wichtigen Baustein zu einem kindgerechten Übergang in die Schule.

Im Schulbereich war das Modell „Bildungscampus“ beeindruckend. Ein Campus besteht aus mindestes zwei unterschiedlichen Bildungseinrichtungen und ist eine Einrichtung für den jeweiligen Stadtteil. In der Regel sind Kindergarten und Volksschule in diesen modern gestalteten Bildungsgebäuden unter einem Dach zusammengefasst, wobei jede Einrichtung seine Eigenständigkeit behält und es sowohl eine Kindergarten- als auch eine Schulleitung gibt. Dieses Lernen unter einem Dach ermöglicht eine enge Zusammenarbeit zwischen den Elementarpädagog*innen und den Pädagog*innen in der Schule und ist ein weiterer wichtiger Baustein für eine entwicklungsfördernde Bildung. Die Volksschule entspricht mit ihren 4 Schuljahren unserer Grundschule.

Die ganztägige Betreuung von Kindern ist auch in Wien ein wichtiges Thema. Auch hier konnten die Reisenden unterschiedliche Modelle kennenlernen. In Schule gibt es sowohl offene Ganztagskonzepte mit freiwilligen Freizeitangeboten als auch verschränkte Konzepte, bei denen sich die Freizeitangebote und die Lernangebote während des gesamten Schultages abwechseln. Die Freizeitangebote werden überwiegend von ausgebildeten Freizeitpädagog*innen gestaltet. Für das Angebot in der offenen Ganztagsbetreuung müssen die Eltern € 300,00 bis € 400,00 pro Monat zahlen. Im verschränkten Modell der Volksschule zahlen Eltern hingegen € 100,00 pro Semester für das Angebot der Betreuung nach 15.30 Uhr.

In Wien gilt eine Lernmittelfreiheit, die auch Schreibhefte und Kopien beinhaltet. Das Mittagessen ist für alle Kinder in Wien kostenfrei. Im Bereich der Ganztagsbetreuung hat das Modell einer Schule überzeugt, in der die Schüler*innen sich für einen Zeitraum von jeweils 6 Wochen für ein Angebot angemeldet haben, anstatt sich für ein Schulhalbjahr festzulegen.

Auch in Österreich ist der Förderalismus ein großes Thema ist. Alles, was kennengelernt wurde, gilt für Wien. In allen anderen Bundesländern gibt es andere Konzepte, Lösungen und Ideen. Das Kennengelernte war zudem Anlass für einen intensiven Austausch innerhalb der Gruppe, so dass die Wiener Lösung mit jenen aus Bayern und Niedersachsen verglichen wurden und somit ein doppelter Blick über den Tellerrand der eigenen Bildungseinrichtung vollzogen wurde.

Eine Erkenntnis war hierbei zentral: Auf die Haltung kommt es an! Neben den notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen und den fachlichen Kenntnissen ist die Haltung der pädagogischen Fachkräfte sowohl im Kindergarten als auch in der Schule das entscheidende Kriterium für die optimale Förderung des Kindes. Wenn sich 20 Pädagoginnen aus Schule und Kindergarten für 6 Tage auf den Weg machen, in Wien Ideen für die eigene Bildungseinrichtung in den Feldern Transition und Ganztagsbetreuung zu generieren, zeugt das von einem großen Engagement.