Er bezeichnete das gesellschaftliche Engagement als "Mittelstandsphänomen" und führte weiter aus: "Menschen mit mittleren und höheren Einkommen engagieren sich deutlich häufiger als Menschen mit geringem Einkommen. Ob der Bildungsstand ist ein wichtiger Faktor, der Engagement begünstigt. Je höher Menschen gebildet sind, desto wahrscheinlicher ist ein freiwilliges Engagement. Interessanterweise gibt es aber einen weiteren Faktor von großer Bedeutung, nämlich die ideologische Bindung der Menschen. Das trifft insbesondere auch religiöse Menschen zu. Menschen, die sich selbst als gläubig bezeichnen, und das ist nicht nur in den christlichen Kirchen der Fall, sondern auch im Judentum und im Islam, sind deutlich überdurchschnittlich engagiert."
Prof. Freise blickt auch mit einer gewissen Sorge auf die aktuelle Situation: "Corona-Krise, Ukraine-Krise, Flüchtlingskrise, Finanzkrise. Offenbar reagieren viele Menschen darauf mit Abkehr vom öffentlichen Raum. Das ist für eine Gesellschaft natürlich ein ganz großes Problem. Wenn auf der einen Seite engagierte Menschen stehen, aber auf der anderen solche, die sich komplett von der Gesellschaft abwenden, führt das langfristig zu einer Vereinzelung der Menschen. Wir sehen auch, dass Menschen, die sich immer mehr von der Gesellschaft abwenden, empfänglich werden für Verschwörungstheorien und antidemokratisches Gedankengut." Gleichzeitig gilt aber auch: "Menschen, die sich in Organisationen engagieren, haben eine viel geringere Anfälligkeit für antidemokratisches Gedankengut."
Er zeigte zudem, dass es wichtig sei weiterhin wachsam zu sein: "Historische Studien zeigen ja auch, dass zum Beispiel Hitler Deutschland überhaupt nur möglich war, weil die Nationalsozialisten ihren Siegeszug in den zivilgesellschaftlichen Organisationen angetreten haben. Sier haben also nicht als erstes das politische System unterlaufen, sondern sie haben als erstes die Zivilgesellschaft gekapert und über dieses Engagement es dann eben geschafft, diesen Staat umzubauen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir als Staat, zum Beispiel hier an den Schulen, Demokratiebildung betreiben. Demokratiebildung ist ein ganz elementares Instrument, um eben eine solche dunkle Seite von Engagement umgehen zu können."
Für das Emsland bietet er jedoch eine positive Prognose: "Wir wissen, dass Menschen im ländlichen Raum und in Kleinstädten deutlich häufiger engagiert sind als Menschen in den Großstädten. Und es lässt sich schließlich auch die Bodenständigkeit der Menschen als Engagement begünstigender Faktor identifizieren. Menschen, die fest an einem Ort verwurzelt sind, engagieren sich häufiger, als Menschen ständig umziehen müssen. Das kann man eben schön auch für das Emsland zeigen. Das Emsland hat zwar auch Migrationsbewegungen, aber weniger als andere Landkreise. Und das führt dann eben dazu, dass jemand, der erstmal im Emsland ist, auch im Emsland bleibt. Und das führt dann eben dazu, dass das Engagement hier relativ stark ist."
Im Anschluss an den Vortrag wurden die Thesen von Freise in einer Podiumsdiskussion mit dem Vorsitzenden des Heimatvereins, Landrat Marc-André Burgdorf, mit dem Vorstand der Sparkasse Emsland, Oliver Roosen, mit dem Verwaltungsleiter des Krankenhauses Ludmillenstift, Jan-Henning Stoffers und dem Stipendiaten der Ludwig-Windthorst-Stiftung, David Duong unter der Moderation von Julia Behnes vertieft und diskutiert.
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Der Windthorst-Abend wird gemeinsam vom Windthorst-Gymnasium Meppen, dem Heimatverein Meppen und der Ludwig-Windthorst-Stiftung ausgerichtet. Er findet einmal im Jahr im Windthorst-Gymnasium in Meppen statt.