LWH feiert 75. Geburtstag des Grundgesetzes

„Das Grundgesetz ist der Garant dafür, dass wir in einer innenpolitischen Stabilität leben, wie es sie auf deutschem Bode noch nie so lange gegeben hat. Gleichwohl wird diese Stabilität aktuell immer wieder und vermehrt infrage gestellt. Man fühlt sich angesichts des Erstarkens radikaler Kräfte irgendwie an den sprichwörtlichen Esel erinnert der sich – wird es ihm zu wohl – auf´s Eis wagt. Das ist allerdings ein leichtsinniges Spiel mit hohem Einsatz.“ – Beim Akademieabend im Ludwig-Windthorst-Haus (LWH) anlässlich des 75. Geburtstages des Grundgesetzes, fasste LWH-Direktor Marcel Speker die Ausgangslage zusammen.

Da Ruprecht Polenz, der eigentlich für das Eingangsstatement vorgesehen war, kurzfristig verhindert war, waren die Besucher aufgefordert ihre Sicht auf die Begriffe „Freiheit“, „Demokratie“ und „Gefahr“ auf Moderationskarten zu schreiben und anzupinnen. Die Ergebnisse dieser Schwarmintelligenz flossen dann in die anschließende Podiumsdiskussion ein, in der die Bedeutung der Freiheit für die Demokratie und die Abwehr möglicher Gefahren im Mittelpunkt standen.

Hier hob die Generalsekretärin der niedersächsischen SPD, Dr. Dörte Liebetruth, die Bedeutung der Partizipation hervor: „Die Menschen müssen spüren, dass sie Einfluss nehmen können. Das sicherzustellen ist auch unsere Aufgabe als Politik.“ Sie nahm damit Bezug auf eine Untersuchung, wonach 31 % der Menschen das Gefühl hätten, in einer Scheindemokratie zu leben. Es sei gefährlich, wenn Menschen den Eindruck bekommen, sie würden nicht gehört oder hätten keinen Einfluss.

Der ehemalige ZDF-Korrespondent Klaus Prömpers blickte auf die AfD und befürchtet, dass es trotz entlarvender Vorfälle, wie dem Wannsee-Treffen zur rechtsradikalen Vernetzung, Re-Migrations-Phantasien und den unsäglichen Waffen-SS-Äußerungen des AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl nicht zu einer wirksamen Entzauberung der AfD komme: „Das Problem der rechten Gesinnung verschwindet ja nicht, nur weil sich die AfD desavouiert. Von Teilen der Wählerschaft wird genau diese Provokation geschätzt und andere Wähler finden Alternativen zur AfD, beispielsweise im Bündnis Sarah Wagenknecht. Das Potenzial von bis zu einem Viertel Radikal-Wähler bleibt in der Summe bestehen.“

Für den Politikwissenschaftler Prof. Dr. Matthias Freise von der Uni Münster ist der Blick in die sich verändernde Zivilgesellschaft bemerkenswert. „Noch schlimmer als eine starke AfD in den Parlamenten ist eine starke AfD im vorpolitischen Raum – in den Sportvereinen, in den dörflichen Strukturen und den städtischen Milieus.“ Er sieht einen Zusammenhang zwischen einer sich vergrößernden Ungleichheit in der Bevölkerung durch eine wirtschaftliche Verschlechterung in der unteren Mittelschicht und dem Erfolg der AfD: „Wer sich abgehängt fühlt oder befürchtet abgehängt zu werden, wird das an der Wahlurne irgendwie zum Ausdruck bringen wollen.“

Die Leiterin des Seelsorgeamtes des Bistums Osnabrück, Dr. Martina Kreidler-Kos, sagte: „Ich bin dankbar für die klare Abgrenzung von der AfD durch die Deutsche Bischofskonferenz.“ Die Bischöfe hatten in einer Erklärung deutlich gemacht, dass rechtsextremistische Gesinnungen und Konzepte auf Ab- und Ausgrenzung abzielen und die gleiche Würde aller Menschen entweder leugnen oder relativieren. Für die Kirche sei aber klar: Jeder Mensch besitzt eine unantastbare und unverfügbare Würde. Die Menschenwürde sei der Ausgangs- und Zielpunkt des christlichen Menschenbildes. Dieses Denken hat auch in unserem Grundgesetz seinen Niederschlag gefunden, das in seinem ersten Artikel die Menschenwürde als unantastbar bezeichnet.

Für Julia Strodt, die als Stipendiatin der Ludwig-Windthorst-Stiftung auch die junge Generation in dieser Runde vertrat, ist die Freiheit, sich in die Demokratie und in politische Zusammenhänge einbringen zu können, entscheidend. Hier gelte es Möglichkeiten zu schaffen, die sich an den Interessenlagen der jungen Menschen orientieren, die sich nicht mehr so sehr dauerhaft einer Partei verschreiben wollen, sondern sich ganz bewusst für einzelne, zeitlich begrenzte Aufgaben oder Projekte interessieren.