Dekorative grüne Flächen

Serap Güler diskutiert über Sicherheit, Resilienz und Deutschlands Rolle in der Welt

Bei einer Gesprächsrunde im Rahmen der Jahrestagung der Ludwig-Windthorst-Stiftung sprach Staatsministerin Serap Güler mit LWH-Direktor Marcel Speker über gesellschaftlichen Zusammenhalt, Medienkompetenz, außenpolitische Verantwortung und die veränderte Bedrohungslage. Eine Diskussion, die sich im Verlauf des Abends immer stärker in Richtung der großen geopolitischen Fragen bewegte.

Zu Beginn richtete Moderator Speker auf die Frage, was Güler konkret meine, wenn sie von einer „fundamentalen Veränderung der Sicherheitslage“ spreche. Die Staatsministerin bekräftigte ihre Einschätzung aus der Rede: „Wir dürfen uns nicht länger vormachen, dass Bedrohungen nur an den Außengrenzen Europas stattfinden. Sie finden längst hier statt – in Form von Cyberangriffen, Drohnenüberflügen oder gezielten Störungen unserer Infrastruktur.“ Zugleich warnte sie vor Alarmismus: „Ich will niemandem Angst machen. Aber Sicherheit entsteht nicht aus Wunschdenken.“ Als Verteidigungspolitikerin habe sie in Litauen erlebt, wie unmittelbar dort die Bedrohung wahrgenommen werde. Dort, so berichtete sie, habe die Bevölkerung angesichts hybrider Angriffe eine andere Aufmerksamkeitsspanne. Dort wisse man, dass man sich in einem Informationskrieg befinde. In Deutschland hingegen sei die Distanz größer: „Wir beschäftigen uns mit anderen Dingen“, sagte Güler, und fügte an: „Wir haben eine Bedrohungslage, die wir angesichts der Watte, in die wir uns packen, nicht wahrnehmen.“

Ein Schwerpunkt der Diskussion war die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Speker wollte wissen, weshalb dieser Schritt aus ihrer Sicht notwendig sei. Güler verwies auf strukturelle Probleme der Bundeswehr, aber auch auf eine gesellschaftliche Dimension: „Ein Staat, der nicht genügend Menschen findet, die ihn verteidigen wollen, hat ein grundsätzliches Problem. Wehrpflicht ist nicht nur ein militärisches Instrument – sie ist ein Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt.“ Mehrmals betonte sie ihren Wunsch nach einer langfristigen Weiterentwicklung hin zu einem verpflichtenden Gesellschaftsjahr: „Der Dienst am Gemeinwohl muss selbstverständlich werden, nicht die Ausnahme.“

Besonders intensiv diskutiert wurde der Begriff „Resilienz“. Für Güler beginnt er nicht in Berlin, sondern „vor Ort – in den Feuerwehren, THW-Ortsverbänden, Vereinen und Nachbarschaften“. Auf die Frage, ob Deutschland im Umgang mit Krisen verlernt habe, pragmatisch zu handeln, antwortete sie: „Ja, wir sind zu oft Meister im Problemfinden. Aber Resilienz bedeutet, Lösungen zu entwickeln – und zwar gemeinsam. In einer Krise hilft kein Zuständigkeitsstreit.“ 

In der Publikumsrunde standen Fragen nach Migration, Integration und gesellschaftlicher Polarisierung im Vordergrund. Eine Zuhörerin wollte wissen, wie sich der von Güler beschriebene Zusammenhalt in Zeiten wachsender politischer Lagerbildung wiederherstellen lasse. Güler verwies auf eigene biografische Erfahrungen und sagte: „Integration vollendet sich dort, wo Menschen Verantwortung übernehmen. Wir brauchen weniger Debatten über Herkunft und mehr darüber, wie wir füreinander einstehen.“ Gesellschaftliche Spaltung entstehe nicht, weil Menschen unterschiedlich seien, sondern „weil ihnen gemeinsame Räume fehlen“.

Ein junger Mann fragte, ob Deutschland angesichts der internationalen Lage nicht Gefahr laufe, sich zu überfordern. Güler widersprach: „Wir sind verletzlich, ja. Aber Überforderung entsteht nicht durch Herausforderungen, sondern durch mangelnde Vorbereitung.“ Sie plädierte dafür, die „Watte“, wie sie es formuliert hatte, endgültig abzulegen: „Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif. Aber ein Land, das seine Stärken kennt, muss die Welt nicht fürchten.“ Am Ende der Diskussion kehrte sie noch einmal zu Windthorst zurück. Die Demokratie bleibe nur dann wehrhaft, wenn sie nicht in Angst, sondern „mit aufrechtem Gang“ handle. Dafür brauche es politische Entscheidungen – aber ebenso eine Bürgergesellschaft, die Verantwortung zu tragen bereit sei. „Resilienz beginnt im Kopf“, sagte Güler abschließend, „und führt dann in die Hände all derer, die unser Land im Alltag zusammenhalten.“

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