Meyer-Burckhardt, der die „Enkelperspektive“ ausdrücklich als sein einziges Recht beansprucht, setzt den Ton früh: nicht die museale Verehrung einer Verstorbenen, sondern die Präsenz einer Kraft. Rosi habe ihn „zum Weltbürger stimuliert“, habe Sprachen eingefordert, Neugier, das Hinausgehen. In einer kleinen poetischen Nummer, die zugleich pädagogisches Programm ist, lässt er die „polyglotte Katze“ auftreten – ein Gedicht, das am Kühlschrank hing und in dem die Maus sich durch Sprachlist rettet. Der Saal lacht, und man merkt: Hier wird keine Anekdote dekoriert, hier wird eine Weltsicht vorgeführt. Bildung als Überlebensmittel. Offenheit als Charakterfrage.
Von dort führt der Abend, wie es Meyer-Burckhardt liebt, in Schleifen: von der Großmutter zur Moral, von der Moral zur Pointe, von der Pointe zurück zur Trauer. Ein Leitmotiv ist der jüdische Witz – nicht als Folklore, sondern als Haltung. Er unterscheide sich, sagt er, dadurch, „dass er ohne Schadenfreude auskommt“. Das Wort selbst, diese deutsche Spezialität, wird ihm zum Anlass einer kleinen Sprach- und Charakterkritik. Es ist die Art Feuilleton-Moment, die wirkt, weil sie nicht doziert, sondern beiläufig trifft: Was wir sagen können, verrät, was wir denken dürfen.
Dann, fast unmerklich, wird es ernst. Rosi, die Kämpferin gegen Antisemitismus, taucht nicht als historische Fußnote auf, sondern als innerer Auftrag. Meyer-Burckhardt erzählt von ihrer Scham, „nicht frühzeitig aufgewacht“ zu sein angesichts des wachsenden Antisemitismus – und von ihrer stillen Konsequenz, später jüdische Orte und Geschäfte aufzusuchen, nicht als Geste, sondern als Selbstverständlichkeit. Der Satz, den er ihr zuschreibt, bleibt im Raum stehen wie ein schweres Möbel: „Wir haben uns gegenüber den deutschen Juden so versündigt, das können Generationen nicht wieder gut machen.“
Wie er solche Stellen setzt, zeigt seine besondere Bühnenkunst: Er lässt die Schwere nicht als Pathos stehen, sondern baut ihr ein Gegenüber – Lebenslust als Antwort auf Endlichkeit. Ein Witz über einen alten Mann, der nicht sterben will; eine Volvo-Verkäuferin aus Wien, die den Tod mit trockener Präzision kommentiert; Lotti Huber, die Flirt und Weltläufigkeit noch im hohen Alter als Sport betrieb. Das klingt in der Nacherzählung leicht – auf der Bühne ist es ein Rhythmus aus Lachen und Nachdenken, aus „So ist das Leben“ und „Und trotzdem“.
Zwischen all dem bleibt Rosi der rote Faden: eine Frau, die Debatten liebte, die Wein als soziale Infrastruktur begriff, die Großzügigkeit nicht aus Überfluss, sondern aus Haltung praktizierte. Als Schluss setzt er nicht einen Gag, sondern ein Gedicht, „Mein Reich ist klein und unabschreibbar weit. Ich bin die Zeit“ – eine strenge, fast asketische Mahnung zur Stille und zur Perspektive – und dann bekommt der Abend noch einen sehr weltlichen, sehr versöhnlichen Ausklang: Signieren, ein paar letzte Worte, ein Geschenk. Im Garten, heißt es, wachse der erste Wein des Hauses noch zu jung heran; deshalb überreicht LWH-Direktor Marcel Speker dem Autor einen französischen Tropfen. Es passt zu Rosi, der Frankreichliebhaberin, und zu Meyer-Burckhardt, der an diesem Abend vor allem eines getan hat: aus Erinnerungen ein Gegenwartsereignis gemacht. Nicht sentimental. Sondern lebendig.
Zuletzt bleibt noch der Dank an die Gesundheitsregion Emsland für die Unterstützung und an die Palliativ-und Hospizvereine aus Emsland und Grafschaft Bentheim für das laute Trommeln für diese Veranstaltung - 300 Personen waren gekommen.
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