In das Zentrum ihrer Diagnose stellte Bourguignon die Aushöhlung von Meinungsfreiheit und Institutionen. Kritische Journalistinnen, Wissenschaftler und Anwälte müssten mit Druck, Klagen oder beruflichen Nachteilen rechnen. Vieles, was früher als ungeschriebene Norm galt, werde von Trump und seinem Umfeld bewusst gebrochen. „Wir merken, dass vieles, was wir für feste ‚Checks and Balances‘ hielten, in Wahrheit Gewohnheiten waren“, sagt Bourguignon. Mit einer klaren Strategie, für alle nachzulesen im „Project 2025“, bereite das rechtskonservative Lager eine systematische Machtausweitung der Exekutive und eine Politisierung der Verwaltung vor.
Gleichzeitig bleibe Trump trotz oder wegen seiner zahllosen Tabubrüche für viele Anhänger attraktiv: als starker Mann, als Entertainer, als scheinbar kompromissloser Vollstrecker ihrer Wut. In wirtschaftlich abgehängten Regionen des „Rust Belt“, etwa in Bourguignons Heimat Wisconsin, fühlten sich viele seit Jahrzehnten übersehen. Trumps harte Einwanderungspolitik und protektionistische Zollpolitik treffen zwar konkrete Menschen und verteuern langfristig das Leben – würden von vielen seiner Wähler aber als „tough love“ akzeptiert.
Besonders gefährlich erscheint Bourguignon die wachsende Gleichgültigkeit gegenüber autoritären Tendenzen. Wenn Unterstützer sagen, ein Diktator sei „in Ordnung, solange er auf unserer Seite ist“, zeige das fehlende Bewusstsein für die Risiken. Zugleich versuche die republikanische Seite, durch Wahlrechtsänderungen und Gerrymandering, also die willkürliche Verschiebung von Wahlkreisgrenzen, Mehrheiten zu zementieren. Wahlen blieben dennoch der wichtigste verbliebene Hebel, Trump Grenzen zu setzen, so die Podcasterin.
Widerstand erschöpfe sich nicht in Massendemonstrationen. Bourguignon verweist auf Klagen von Bürgerrechtsorganisationen, Initiativen, solidarische Hilfe für Betroffene der Migrationspolitik oder ökonomischen Druck – etwa durch gekündigte Abos bei Eingriffen in die Medienfreiheit. Wichtige Signale seien zuletzt Wahlerfolge der Demokraten gewesen, bei denen Bezahlbarkeit und soziale Fragen im Mittelpunkt standen.
Für Europa sieht Bourguignon eine doppelte Lehre. Zum einen dürfe man sich sicherheitspolitisch nicht länger auf eine verlässliche US-Führung verlassen, egal wer im Weißen Haus sitzt. Zum anderen diene die „Make America Great Again“-Bewegung als Blaupause für rechtspopulistische Parteien in Europa. Umso wichtiger sei es, Polarisierung nicht weiter eskalieren zu lassen, sondern Gesprächsräume zwischen politischen Lagern zu öffnen – in Amerika wie in Europa. „Demokratie lebt davon, dass wir einander zuhören“, sagt Bourguignon. „Wenn wir damit aufhören, überlassen wir das Feld den Lautesten und Rücksichtslosesten.“
Der Vorsitzende der Ludwig-Windthorst-Stiftung, Christian Fühner MdL, dankte Jiffer Bourguignon für die Einblicke, die sie den Besuchern gewährte. Gleichsam blickte er auch sorgenvoll auf die Entwicklungen, die sich in Europa und Deutschland in eine ähnliche Richtung entwickelten und erinnerte in diesem Zusammenhang an die Werte Ludwig Windthorsts, einst Gegenspieler von Bismarck und lebte er heute, ganz sicher entschiedener Opponent von Donald Trump.
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