Zunächst wird deutlich: „Freude über Waffenlieferungen verbietet sich aus christlicher Sicht. Jede Lieferung ist letztlich eine Reaktion auf einen Krieg, der schon begonnen wurde – in diesem Fall durch den russischen Angriff auf die Ukraine. Gewalt kann in keiner Form zu befürworten sein“, betont Reidegeld. Sie bringe immer Zerstörung und Tod. Dennoch stelle sich in der Realität die Frage nach legitimer Selbstverteidigung.
Die christliche Friedensethik wolle vor allem eines: verhindern, dass Kriege überhaupt entstehen. „Doch wenn Gewalt bereits im Gange ist, rücken andere Überlegungen in den Vordergrund – etwa die Schutzverantwortung für Unschuldige“, so Reidegeld. Er verweist auf das historische Beispiel des Zweiten Weltkriegs: „Ohne das Eingreifen der Alliierten wäre das Morden des nationalsozialistischen Regimes ungehindert weitergegangen.“
Im Zentrum steht dabei ein Spannungsfeld: Zwischen Jesu radikalem Gebot der Gewaltlosigkeit und dem ethischen Gebot, Schutz und Beistand für Schwächere zu leisten. „Es geht nicht um ein Entweder-Oder“, so Reidegeld. Auch wenn Waffen eingesetzt werden, muss das Ziel der Frieden bleiben. Alle Anstrengungen müssten immer darauf ausgerichtet sein, die Gewalt zu begrenzen und Wege zur Versöhnung zu finden.
In diesem Zusammenhang erläutert Reidegeld die Begriffe der Lehre vom „gerechten Krieg“ und vom „gerechten Frieden“. Während erstere auf eine lange christliche Tradition zurückblicke – von Augustinus bis Thomas von Aquin –, habe sich nach dem Zweiten Weltkrieg zunehmend die Vorstellung durchgesetzt, dass Krieg nie wirklich „gerecht“ sein könne – allenfalls gerechtfertigt. Stattdessen müsse es heute um gerechte Rahmenbedingungen gehen, die Kriege überflüssig machen: Teilhabe, wirtschaftliche Gerechtigkeit und eine starke internationale Ordnung.
Gerade diese internationale Ordnung sei derzeit geschwächt – nicht nur durch den Angriffskrieg Russlands, sondern auch durch westliche Fehler nach dem Ende des Kalten Krieges. Doch Resignation sei keine Option. Reidegeld plädiert für eine „Diapraxis“: eine gelebte Friedenspraxis im Alltag. Die Versöhnung zwischen Deutschland und Frankreich oder Friedensinitiativen im Nahen Osten zeigten, dass friedliche Wege möglich seien – wenn der Wille dazu vorhanden ist.
Die Podcast-Folge endet mit einem Appell: Die autokratische Logik der Stärke dürfe nicht das letzte Wort haben. Auch wenn eine kriegsfreie Welt derzeit utopisch erscheine, sei es Aufgabe von Kirche, Gesellschaft und Politik, Alternativen aufzuzeigen. Denn, so Reidegeld abschließend: „Eine andere Welt ist möglich – wenn wir sie beginnen zu leben.“
Zur aktuellen Podcast-Folge: www.linktr.ee/friedensreiter.
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