„Beratung ist notwendige Infrastruktur für gesellschaftliche Teilhabe und Lebensqualität“

Anlässlich des 25. Jubiläum von Donum Vitae im Emsland sprach Dr. Christoph Hutter, Leiter des Psychologischen Beratungszentrums des Bistums Osnabrück in Lingen, im Ludwig-Windthorst-Haus (LWH) zu dem provokant formulierten Thema: „Ist Beratung ein überflüssiger Luxus?“. In seinem leidenschaftlichen, tiefgründigen und stellenweise humorvollen Vortrag setzte er sich mit dieser Frage kritisch auseinander und verteidigte die Bedeutung professioneller Beratung in einer komplexen, modernen Gesellschaft. Hutter begann mit der scheinbaren Provokation des Vortragstitels und stellte typische Gegenargumente gegen Beratung dar – sie sei zu teuer, nicht notwendig, weil Menschen ihre Probleme selbst lösen könnten, oder sie sei zu elitär und nicht alltagsnah. Doch Schritt für Schritt zerlegte er diese Argumente sachlich und philosophisch fundiert.

Ein zentrales Anliegen des Vortrags war die Verteidigung von Beratung als Prävention, deren Wirksamkeit sich schwer messen lässt, aber einen enormen volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen bringt – von der Jugendhilfe über das Bildungssystem bis hin zum Gesundheits- und Sozialsystem. Beratung, so Hutter, sei kein Luxus, sondern eine notwendige Infrastruktur für gesellschaftliche Teilhabe und Lebensqualität. Philosophisch griff Hutter die antiken Gedanken zur „Selbstsorge“ auf und zeigte, dass es für Menschen – damals wie heute – nicht möglich sei, sich allein aus seelischen Krisen zu befreien. Er betonte, dass Menschen in Übergangssituationen (z. B. Schwangerschaft, Trennung, Krankheit) besonders verletzlich seien und gerade dann Unterstützung brauchen. Beratung sei zudem nicht elitär, sondern zutiefst menschlich: Sie öffne Räume für Rat – im ursprünglichen Sinne von Vorsorge und Lebenssicherung. Dabei sei der Akt des „Türöffnens“ sinnbildlich für die Haltung der Beratenden, die sich nicht in Elfenbeintürmen verschließen, sondern offen für alle Hilfesuchenden sind – auch wenn sie „scheinbar falsch“ erscheinen.

Zuvor hatte die Vorsitzende von donum vitae im Emsland, Marita Langenbach, auf die Symbolik des Veranstaltungsortes in der LWH-Aula hingewiesen: An selber Stelle hatte die Deutsche Bischofskonferenz 25 Jahre zuvor den Ausstieg der Kirche aus der Schwangerschaftskonfliktberatung beschlossen. Die Gründung von donum vitae war eine direkte Reaktion auf diesen Beschluss: "Es gab ernsthaften theologischen Widerstand und mutige Demonstrationen für die Selbstbestimmung der Frau und den Familienschutz allgemein. donum vitae entwickelte in der Folge einen von Respekt und Solidarität geprägten Weg zur Unterstützung der Frauen und Familien in Not, der sich seither bewährte und heute breite Anerkennung findet." Mit dem Festakt wolle man die psychosoziale Beratung als zentrales Element der Arbeit in den Fokus nehmen.

LWH-Direktor Marcel Speker hatte in seinem Grußwort wiederum die Arbeit der vielen Haupt- und Ehrenamtlichen von donum vitae im Emsland gewürdigt. Er betonte die Bedeutung von 25 Jahren engagierter Beratung und mutiger Unterstützung für Frauen und Familien in schwierigen Lebenssituationen. Zudem stellte er die Verbindung zur Haltung Ludwig Windthorsts her, dessen Einsatz für Gewissensfreiheit und Menschenwürde auch das Handeln von donum vitae präge: „Nicht durch Druck, sondern durch Vertrauen. Nicht durch Ideologie, sondern durch Mitmenschlichkeit“ – mit diesen Worten unterstrich Speker den Kern der Arbeit von donum vitae. Mit einem Dank an alle Beteiligten rief er dazu auf, nicht nur zurückzublicken, sondern auch mutig in die Zukunft zu schauen.