Akademieabend erzählte Geschichten rund um das Hungertuch

Umweltschäden, Ungleichheit, Militärdiktaturen und Gerechtigkeit. Diese und noch viele weitere Themen inspirieren seit 1976 zur Fastenzeit die Hungertücher des Misereor Hilfswerks. Alle zwei Jahre erscheint ein neues Hungertuch, gestaltet von einer Künstlerin oder einem Künstler aus immer verschiedenen Regionen der Welt. Am Aschermittwoch gab Prof. Dr. Dr. Alexander Lohner im Ludwig Windthorst-Haus einen Einblick in die Hintergründe und die Geschichte der Misereor-Hungertücher.

Der Akademieabend mit dem Theologen und Philosophen von der Universität Kassel fand in der LWH-Kapelle statt.  Er stellte die Misereor-Hungertücher in den entwicklungspolitischen Zusammenhang. So erörterte Lohner beispielsweise, dass jedes Hungertuch auf soziale und entwicklungspolitische Probleme hinweise sowie eine Botschaft in sich trage. Er berichtete von Hungertüchern, die zum Beispiel Landraub, Ausbeutung und Wasserknappheit thematisierten. Sie zeigen durch ihre künstlerischen Darstellungen bedeutende entwicklungspolitische Probleme. Die Hungertücher laden dazu ein, sich intensiv mit Themen auseinanderzusetzen und über Themenverknüpfungen nachzudenken. Zu Landraub und Ausbeutung schlug Lohner beispielsweise eine Brücke von der Kolonialisierung der Demokratischen Republik Kongo bis zu China und weiteren reichen Ländern, die heutzutage von Ausbeutung profitieren. Besonders diese Thematik sowie internationale Zusammenarbeit beschäftigte die darauffolgende Diskussion.

Die Besucherinnen und Besucher hatten das aktuelle Hungertuch mit dem Namen „Du stellst meine Füße auf weiten Raum – Die Kraft des Wandels“ von der chilenischen Künstlerin Lilian Moreno Sánchez während des ganzen Akademieabends in der Kapelle im Blick. Es zeigt das künstlerisch verfremdete Röntgenbild eines zertrümmerten Fußes eines Mannes aus Santiago de Chile, entstanden während der Proteste 2019. Durch das harte Durchgreifen der Einsatzkräfte kamen 26 Menschen ums Leben und mehr als 4900 wurden verletzt. Das Bild ist auf drei Keilrahmen, bespannt mit Bettwäsche, angelegt. Der Stoff stammt aus einem Krankenhaus und aus dem Kloster Beuerberg nahe München. Als Zeichen der Heilung arbeitete die Künstlerin mit goldenen Nähten und Blumen als Symbolik der Solidarität und Liebe. Das Leinöl im Stoff verweist auf die Frau, die Jesus Füße salbt und auf die Fußwaschung.

Vor dem Vortrag fand unter dem Hungertuch eine Eucharistiefeier mit Spendung des Aschekreuzes statt. Pastor Dr. Antony Kallarakkal spannte in der Predigt den Bogen zur aktuellen Situation in der Ukraine: „Der Satz „Staub bist Du und zu Staub kehrst Du zurück“ ist in Zeiten, in denen Raketen die Ukraine in Staub und Asche legen, besonders eindringlich.“